Der Platzhirsch in seinem Revier

Nicht nur wegen seiner Olympia-Qualifaktion übernimmt Alexander Schmid im deutschen Team eine Führungsrolle. Wie der Riesenslalom-Spezialist damit umgeht.

 

 

Alexander Schmid trumpfte beim zweiten Riesenslalom der Saison auf. Der Rennläufer vom SC Fischen fuhr auf der anspruchsvollen Face de Bellevarde in Val d’Isère auf den sechsten Rang. –

 

Fotos: Witters, DSV, Lienert, Text: Bernd Schmelzer –

Val d´Isère/Fischen: – Und plötzlich bist du der Platzhirsch … Alexander Schmid hat diese Erfahrung gemacht. Innerhalb einer Woche. Ganz schnell ging das. Kollege Stefan Luitz an der Bandscheibe operiert – Schmid nun der Team-Leader der alpinen Techniker im Deutschen Skiverband (DSV). Wie der Riesenslalom-Spezialist aus Fischen damit umgeht? Er liefert. Platz sechs, Olympia-Qualifikation geschafft. Souverän, cool. „Plan gehabt, Plan durchgezogen“, sagt Schmid und freut sich tierisch. Platzhirsch halt.

Keine 24 Stunden zuvor, Freitag: Es ist kalt, windig, es schneit ununterbrochen in Val d´Isère. Training unmöglich für die Techniker-Gruppe des DSV. Alexander Schmid ist auf dem Weg in den Fitnessraum. Bewegen. Ganz wichtig, gerade für die im Sommer so arg strapazierte Quadrizeps-Sehne. „Das haben wir inzwischen gut in den Griff bekommen“, berichtet der Oberallgäuer. Gezielte Physiotherapie, die dem Knie gutgetan hat. Wochenlang war schließlich in einer wichtigen Phase der Vorbereitung nicht an Skifahren zur denken. Schmid hatte Zeit für andere Dinge. Fotoshooting für ein Allgäuer Mode-Label beispielsweise. Zusammen mit Bruder Manuel. „Die Besitzer kommen wie wir aus Fischen, haben uns mal angesprochen, und dann haben wir spontan zugesagt.“ Alexander Schmid geht auch damit sehr entspannt um. Karriere auf dem Laufsteg? Er muss laut lachen.

Ein wenig ernster wird er, wenn es um die aktuelle Situation in der Mannschaft geht. Neben Stefan Luitz (Bolsterlang) ist auch der Oberstdorfer Sebastian Holzmann (Knie) verletzt. „Wir sind ja ohnehin kein Riesen-Team, da schmerzt jeder Ausfall doppelt.“ Und ähnlich wie vor der WM in Are/Schweden 2019 fokussiert sich das Interesse jetzt auf ihn. Schmid nimmt das jetzt an. „Ich bin zwar keiner, der immer ins Rampenlicht drängt, aber es ist jetzt halt so. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber.“

Die Allgäuer Bande um Julian Rauchfuss (27) aus Fischen von der RG Burig Mindelheim, der 22. im Riesenslalom wurde („meine ersten Weltcup-Punkte in dieser Disziplin“) und mit Rang 24 bester Deutscher im Slalom („das war ein Super-Wochenende für mich“) und Fabian Himmelsbach (22) vom SC Sonthofen, der im Slalom ausschied („der Einfädler war ein bisschen bitter“), hat Schmid locker im Griff: „Wir verstehen uns alle super, wer was macht ist prinzipiell egal, wichtig ist es, Leistung zu bringen.“ Was dem Platzhirsch derzeit volltrefflich gelingt. Platz sechs bei schwierigsten Verhältnissen auf der anspruchsvollen Face de Bellevarde. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, freut sich der 27-Jährige nach dem Rennen. Und es ist wieder Val d´Isère, wo er sich auch für die Winterspiele 2018 qualifizierte.

Zeit demnach, sich so langsam mit dem Thema Peking zu beschäftigen. „Olympia ist für jeden Sportler ein Traum, für die Sportler geht es vornehmlich um die Medaillen. Leider haben wir auf politische Themen keinen Einfluss“, resümiert Schmid nüchtern. Nun will er sich intensiver in das sehr komplexe Gebilde „Olympia 2022“ einarbeiten. „Die Sportstätten sollen super sein“, sagt Schmid. Das hat er schon von anderen gehört.

Bruder Manuel wird in China nicht dabei sein, nach einer komplizierten Knieverletzung (wir berichteten). „Wir haben zuletzt gemeinsam auf dem Sofa Skirennen geschaut, das berührt einen total“, erzählt Alexander. Und: Die ersten Glückwünsche in Richtung Frankreich, sei es über die sozialen Netzwerke oder am Telefon, kommen auch wieder von daheim. Die Schmids halten zusammen.

Beim Slalom am Sonntag benötigten alle Geduld. Alexander Schmid hat die interne Qualifikation zwar gewonnen, im Rennen aber die vorletzte Startnummer für den ersten Durchgang. Beim Radsport kommt danach bald der Besenwagen. Im alpinen Rennsport ist es ähnlich. „Neben den Toren stehen sie schon mit den Stangen-Schlüsseln in der Hand und warten, bis man vorbei ist.“ Schmid schmunzelt. Kurz nach seinem Start werden tatsächlich in Windeseile die Torstangen entfernt. Umsetzen für den zweiten Lauf. Den erreicht Schmid allerdings nicht. Ausgeschieden. Das Revier des Platzhirsches ist halt doch eher der Riesenslalom.

Post Author: Dieter Haug