Skiverbände schlagen Alarm
Jahresversammlung Der erste Corona-Winter habe einen „Kollateralschaden“ hinterlassen. Nur wenige Sportler durften trainieren, 2000 Mitglieder haben allein in den Klubs des ASV gekündigt. Für den Weg aus der Krise gibt’s eine erste Idee
Von Thomas Weiß
Thalkirchdorf: Dass die Jahresversammlung in Thalkirchdorf anfangs geprägt war von der guten Laune und der Freude darüber, dass sich die Vertreter der Allgäuer Skivereine mal wieder in die Augen schauen und coronakonform die Fäuste entgegenstrecken konnten anstatt wie im Vorjahr dies in einer 90-minütigen Video-Konferenz erleben zu müssen, war für Hubert Lechner, den Vorsitzenden des Allgäuer Skiverbandes, wichtig. Nachdem die Gastredner, die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller und DSV-Präsident Franz Steinle, die Corona-Krise in den Mittelpunkt ihrer Ansprachen gestellt hatten, setzte Lechner vermutlich bewusst ein paar Kontrapunkte. Er sprach von einem starken Teamwork, kündigte einen intensiven Austausch bei den Regionengesprächen an, berichtete davon, dass der Allgäuer Nachwuchs mehr Kaderathleten stellen würde als jeder andere bayerische Gau und dass der Verband über ein ordentliches finanzielles Polster verfüge.
Das klang alles sehr positiv. Auch noch Lechners Ankündigung, der Verband wolle ein Teil des Geldes zusammen mit Prosport Allgäu in ein neues Förderkonzept stecken, das sich grob an den Spielgemeinschaften im Fußball anlehne. Kleinere Vereine sollen Trainings- und Wettkampfgemeinschaften bilden, damit wieder mehr Kinder und Jugendliche in den Schnee kommen und der Mangel an Übungsleitern, Trainingsorten und Zeit wenigstens ein klein wenig ausgeglichen werde. 10 000 Euro, wenn die Nachfrage richtig groß sein sollte, auch 15 000 Euro will der ASV für diese Kooperationen locker machen. Prosport legt 5000 Euro drauf.
Als Dominik Feldmann, stellvertretender Geschäftsführer des Bayerischen Skiverbandes, und Berni Huber als Leitender Schülertrainer des Deutschen Skiverbandes, ans Mikrofon getreten waren, war allen bewusst, welch gravierende Folgen Corona auf den Skisport im Allgäu haben könnte. „Dramatisch“ nannte Feldmann die Zahlen bei den Mitgliederrückgängen. 2000 seien es im Allgäu, 1353 davon seien Kinder. Im Training, so Huber, sei eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstanden, weil deutschlandweit von mehreren 10 000 Nachwuchs-Athleten nur 541 ausgewählte Kader-Athleten trainieren durften. Im Allgäu standen dafür am Ende der Saison die Übungshänge am Söllereck, am Tegelberg und am ATA in Oberjoch zur Verfügung. Ex-Rennläufer Huber unterstrich die Aussage von DSV-Präsident Steinle, durch Corona sei ein Kollateralschaden entstanden. Er schimpfte auf die Politik, weil die den Sport im Freien als Problem und nicht als Teil der Lösung angesehen habe. Und Huber warnte: „Wir rasen mit 120 km/h auf das nächste Problem zu.“ Die Allgäuer Bergbahnen, so habe er gelesen, wollen im kommenden Winter wohl eine 2-G-Regel durchsetzen. Will heißen, nur Geimpfte und Genesene dürften die Lifte nutzen. „Alle Kinder und Jugendlichen zu impfen, wird nicht klappen.“ Es drohe also ein weiteres Ausbluten. Huber nannte ein aktuelles Beispiel: Zu einem Konditionstest seien vor Kurzem aus den 220 ASV-Vereinen 55 Sportler gekommen, 18 davon allein vom SC Oberstdorf. „Früher waren es doppelt so viele. Merkt ihr was? Es ist Fünf vor Zwölf.“
Auch Huber sieht in möglichen Kooperationen einen Ausweg aus der Krise. Auf Nachfrage unserer Zeitung sagte Bori Kössel, Vorsitzender von Prosport Allgäu: „Wenn wir nicht wollen, dass es in zehn Jahren nur noch die Skiclubs in Oberstdorf, Bad Hindelang und Sonthofen gibt, sondern viele kleinere, dann müssen wir schleunigst handeln.“ Das weitverbreitete Kirchturm-Denken müsse aufhören. Der stellvertretende ASV-Vorsitzende Johannes Stehle erklärte, wie die Hilfe des Verbandes konkret aussehen könnte: „Wir unterstützen mit Zuschüssen für Torstangen oder bieten einem Trainer mal ein Seminar an.“ Kössel ergänzte: „Geld ist nicht alles, aber es lässt sich damit doch einiges anschieben.“
Bis spät in den Abend wurde bei gebührendem Abstand, Brotzeit und Bier eifrig weiterdiskutiert. Ein schöner Kontrast zur Video-Konferenz im Vorjahr.
Allgäuer Skiverband kommt finanziell gut durch die Pandemie
Antrittsbesuch Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller wies in ihrem Grußwort auf die große Bedeutung des Skisports im gesamten Allgäu hin. Sie selbst habe die Vielfalt entdecken können: als begeisterte Langläuferin, als leidenschaftliche Skitourengeherin – „und ich durfte auch mal auf dem Snowboard stehen“. Der Wintersport sei zudem ein wichtiger Faktor im Allgäuer Tourismus, halte Tausende Kinder von der Spielekonsole fern und sende bei den Großveranstaltungen wie zuletzt bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf schöne Bilder aus dem Allgäu in die ganze Welt. Sie versprach: „Der Landkreis wird weiter ein verlässlicher Partner für den Allgäuer Skiverband sein.“
ASV in Zahlen Der Verband zählt etwa 43 000 Mitglieder in 220 Vereinen und kann auf 15 000 ehrenamtliche Helfer und 2500 Übungsleiter zurückgreifen. 300 Sportler werden direkt gefördert.
Finanzen Wegen Corona nahm der ASV im Geschäftsjahr 2020/21 mit 344 000 Euro etwa 84 000 Euro weniger ein als im Vorjahr. Weniger Sponsoreneinnahmen (minus 15 000) wurden durch mehr Zuschüsse ausgeglichen. Das Lehrwesen war aber mit einem Minus von 73 600 Euro von Corona besonders gebeutelt. Da die Ausgaben aber auch um etwa 85 000 Euro gesenkt werden konnten, blieb dem ASV ein Jahresüberschuss von etwa 25 000 Euro. 240 000 Euro hat der Verband auf der „hohen Kante“.
Neuwahlen Nach der Entlastung des Vorstandes peitschte Wahlleiter Dr. Peter Kruijer vom SC Oberstdorf die Neuwahlen durch. In elf Minuten wurden 19 Positionen in ihren Ämtern bestätigt oder neu besetzt – alle einstimmig. Für zwei Jahre gewählt wurden: Monika Burig, Johannes Stehle, Florian Kuiper (alle stellvertretende Vorsitzende), Philipp Gehring (Schatzmeister) für Conny Burtscher, Daniel Nett (Schüler-/Jugendwart Sprung), Erhard Fink (Schüler-/Jugendwart alpin), Werner Weber (Sportwart Freestyle), Edi Bodenmiller (Tourenwart), Christian Keller (Kampfrichterobmann alpin für Daniel Laber und KRO nordisch), Michael Weiß, Michael Rathke, Hanskarl Bechteler, Markus Niessner, Alois Ried, Michael Lucke (alle Beisitzer), Joachim Beschnidt, Hannes Gerzer (bd. Kassenprüfer) und Dieter Haug (Referent Presse-/Öffentlichkeitsarbeit).
Ehrungen Den ASV-Ehrenbrief erhielten für ihr langjähriges Engagement Bernd Stark (Tiefenbach/seit 1971), Peter Kösel (Haldenwang/seit 1983), Oskar Fischer (Oberstdorf/seit 1965) und Michl Stich (SC Sonthofen/seit 1970).
Sie haben viele Jahre ehrenamtlicher Arbeit für den ASV hinter sich: (von links) Bernd Stark, Peter Kösel, Oskar Fischer und Michl Stich. Foto: Dieter Haug