„Hoch anerkannt – und gesellig“

Sepp Behr aus Sonthofen prägte als Aktiver, Trainer und Materialtüftler viele Jahre den alpinen Skisport in Deutschland. Nun starb er mit 93 Jahren. Ein Nachruf.

Von Thomas Weiß.

Auch wenn’s abgedroschen klingt, aber Sepp Behr aus Sonthofen war der typische Allgäuer Mächler. Er hatte großes handwerkliches Geschick, war umtriebig und geschäftstüchtig. Sein Ehrgeiz und sein Ideenreichtum ließen den Allgäuer zu einer Ski-Legende werden – als Aktiver genauso wie als Trainer. Der zweifache Olympiateilnehmer und siebenfache deutsche Alpin-Meister ist am Dienstag in seiner Heimatstadt Sonthofen im Alter von 93 Jahren gestorben. Ein Nachruf auf einen Menschen, der in seinem Leben viel geschaffen und (nicht nur im Schnee) entsprechend große Spuren hinterlassen hat.

Seine erfolgreichste sportliche Zeit erlebte Behr in den fünfziger und frühen sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Er gewann sieben nationale Titel und nahm 1956 in Cortina d’Ampezzo und 1960 in Squaw Valley an den Olympischen Spielen teil. Anerkennung als fairer Sportskamerad erhielt er 1960 in den USA, wo er – zugunsten von Willi Bogner – auf einen Start beim Riesenslalom verzichtet hatte. Von 1962 bis 1968 trainierte Behr die alpine deutsche Frauen-Nationalmannschaft und legte da den Grundstein für die späteren Triumphe der Mittermaier- und Epple-Schwestern.

Im Oktober 1979, Behr war gerade 50 Jahre alt geworden, erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Und zwar als „vorbildlicher Zollbeamter und untadeliger Sportsmann“, wie der damalige Oberfinanzpräsident Dr. Erhard Gröpl in seiner Laudatio sagte, die feinsäuberlich im Archiv unserer Sportredaktion abgelegt wurde. Es solle, so Gröpl, „deutlich werden, dass in unserem Lande herausragende Leistungen im Dienste der Allgemeinheit anerkannt werden, dass sie in einer Form Würdigung finden, die mit Geld nicht erkauft werden kann“. Reich wurde Behr weder als Angestellter des Zoll – seine letzten Dienstjahre verbrachte er hauptsächlich an der deutsch-österreichischen Grenze am Oberjoch – noch als Skifahrer oder -trainer. Oskar Fischer aus Oberstdorf, einer seiner langjährigen Weggefährten, erinnert sich aber daran, dass Behr als gelernter Schlosser immer auch ein kleiner Ingenieur und Materialfreak war. „Sepp war nicht nur als Sportler und Trainer ein Energiebündel.“ Auch danach sprühte Behr vor Aktivität, tüftelte mit an der Weiterentwicklung der Slalomstangen und machte aus seiner heimischen Werkstatt in Sonthofen eine durchaus profitable Produktionsstätte. Der 84-jährige Fischer erinnert sich: „Sepp war in all den Jahren hoch anerkannt. Er hat sich in Materialfragen hineingefuchst, Lösungen gesucht – und immer gefunden.“ Erst als die Verwissenschaftlichung in Trainertätigkeit und Skiindustrie Einzug hielt, habe Behr gemerkt, dass das Mächler-Dasein immer schwieriger wird. Eines der wenigen Dinge, die Behr anpackte, die aber nicht im Erfolg endeten, war sein Liftprojekt in Liebenstein zwischen Sonthofen und Bad Hindelang. Gut liefen dagegen das Café und der Minigolfplatz der Behrs in Sonthofen.

Besonders stolz war Behr auch auf seine Tochter Pamela, die auf zwei Brettern in seine Fußstapfen trat – und ebenfalls äußerst erfolgreich Ski fuhr. Behr war für seine Tochter Trainer, Berater, Manager und Servicemann zugleich. Der 3. Februar 1978, als Pamela bei der Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen die Silbermedaille im Slalom gewann, gehörte zu den Festtagen im Hause Behr. Welch inniges und entspanntes Verhältnis er zur Skifamilie all die Jahre pflegte, zeigte sich im Februar 2020, als Behr – kurz vor dem ersten Corona-Lockdown – seinen 90. Geburtstag in Ofterschwang nachfeierte. Dass seine weiblichen Schützlinge von damals als Ski-Hasen kamen und gratulierten, war ganz nach dem Geschmack Behrs. „Er liebte die Geselligkeit“, sagt Fischer, „dann konnte er manchmal ohne Punkt und Komma die Geschichten und Anekdoten von früher erzählen.“

Post Author: Dieter Haug