Laufpower und Treffsicherheit

Wenn am 28. November der Biathlon Weltcup wieder Fahrt aufnimmt, ist auch ein Allgäuer mit am Start. Philipp Nawrath (29) aus Nesselwang hat sich inzwischen fest in der Weltcup-Mannschaft des Deutschen Skiverbands etabliert. Läuferisch ist er stets vorne dabei, nur die Schießleistungen sind immer wieder starken Schwankungen unterworfen.

Einer, der ihn genau kennt, ist sein Vater. Er war von Anfang an für ihn Bezugsperson, gleichzeitig aber auch sein Trainer. Heute trainiert Christoph Draesner die Jugend im Trendsportzentrum in Nesselwang, während Philipp im Biathlon-Stützpunkt Ruhpolding sein neues Zuhause gefunden hat. Unvergessen sind die drei Goldmedaillen eines Michi Greis bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin. Für die Kinder und Jugendlichen ist Greis, obgleich er immer wieder sein Elternhaus und das Trainingszentrum in Nesselwang besucht, schon eine Legende, wogegen Nawrath als aktueller Weltcupathlet schon fast Idol-Charakter hat. Auch sucht er bei seinen Heimatbesuchen immer wieder den Kontakt zum heimischen Biathlon-Nachwuchs.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass es in den drei Trainingsgruppen keinen Nachwuchsmangel gibt. In der Jugend trainieren zwölf Athletinnen und Athleten, bei den Schülern sind es neun Mädchen und Jungen, bei den sogenannten „Schnupperern“ fünf.

Christoph Draesner ist zusammen mit Elena Egger für die Jugend verantwortlich. Sechs Einheiten pro Woche untergliedern sich in Kraft-, Langlauf- und Komplextraining. Elena, ehemalige Weltcupathletin aus der Ukraine, kümmert sich schwerpunktmäßig um das Langlauftraining, während beide für das Schieß- und Komplextraining verantwortlich ist (beim Komplextraining verbindet man Lauf- und Schießübungen unter Wettkampfbedingungen).

Leni Schneider (15) aus Moosbach am Rottachsee begann mit dem Langlauftraining in Buchenberg, bevor sie an den Biathlon-Stützpunkt nach Nesselwang wechselte. Hier trainiert sie seit drei Jahren zuerst bei den Schülern, jetzt im ersten Jugendjahrgang. Derzeit laboriert sie an einer Schienbeinentzündung, will aber zum zweiten Deutschlandpokal-Wettkampf Mitte Dezember wieder fit sein. Ihr Vorbild ist Laura Dahlmeier, ihr Fernziel eine Teilnahme an Olympischen Spielen.

Björn Hederich (15), dessen Mutter selbst aktive Biathletin war, aus Untergassen am Rottachsee, begann als Schnupperer und startet in dieser Saison ebenfalls erstmals in der Jugendklasse. Auch ihm schweben große Ziele vor Augen. Doch er ist realistisch. Erste Priorität hat ein erfolgreicher Schulabschluss.

Eines vereint jedoch alle: Ein positiver Teamspirit schafft gute Trainingsanreize. Und das spürt man, beobachtet man die Gruppe. Einziger Wermutstropfen ist die in die Jahre gekommene Schießanlage, die dringend modernisiert werden müsste. Doch das kostet viel Geld. Geld, das nicht da ist. Peter John, Biathlon-Referent im Allgäuer Skiverband, versucht nun, durch viele Gespräche mit dem Verein SK Nesselwang, der Gemeinde, ProSport, dem ASV und BSV potentielle Geldgeber aus Politik und Wirtschaft zu gewinnen, um diesen Missstand zu beheben. Dabei sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit durchaus als ideal zu bezeichnen, hat man doch mit dem Gymnasium Hohenschwangau und dem angeschlossenen Internat eine Partnerschule des Wintersports an der Seite, das Nähe zur Trainingsstätte bietet und schulische Hilfestellung garantiert. Diese Möglichkeit nutzen schon einige Landesathletinnen und -athleten, da die Aufnahmekapazitäten an der Eliteschule des Leistungssports am Christopherus Gymnasium (CJD) in Berchtesgaden begrenzt sind.

Ein weiterer Faktor bereitet John Bauchschmerzen. Froh, dass er genügend Übungsleiter hat, die das Training abdecken, sind es die Begleitumstände, die damit einhergehen. Dadurch, dass für Wettkämpfe oftmals Fahrten über hunderte von Kilometern notwendig sind, Anreisen manchmal bereits am Mittwoch vor dem Wettkampfwochenende erfolgen, müssen die Trainer normale Arbeitstage als Urlaubstage beantragen. So gesehen opfern sie bis zu zwei Wochen im Jahr von ihrem Jahresurlaub. John ist jedoch klar, dass Biathlon nicht die einzige Sportart ist, die vom Engagement Ehrenamtlicher abhängig ist. Nur, was passiert, wenn diese aufhören und nicht entsprechend ersetzt werden können? Die Konkurrenzfähigkeit der Allgäuer Biathleten bei der nationalen Rennserie, dem Deutschlandpokal, wäre nicht mehr gegeben.

Noch ist es nicht soweit. Die Jugendlichen, Schüler und Schnupperer sind mit Feuer und Begeisterung dabei. Sie nehmen Unannehmlichkeiten wie lange Anfahrtswege und hohe Kosten in Kauf, um ihrem Sport nachgehen zu können. Allein diese Begeisterung motiviert alle weiterzumachen, sämtlichen Widrigkeiten zum Trotz.

Post Author: Dieter Haug