Biathlon Philipp Nawrath aus Nesselwang hat sich in Östersund bereits für die Spiele in Peking qualifiziert. Wie Mentor Michael Greis den Saisonstart des 28-Jährigen bewertet. –
Text: Ralf Lienert, Foto: Wittwers –
Nesselwang/Östersund – Philipp Nawrath gehört in diesem Winter zu den Säulen der deutschen Biathlonmannschaft. Der 28-jährige Sportpolizist aus Nesselwang hat Olympia fest im Visier. Die Qualifikation für die Spiele in Peking sicherte er sich gleich am ersten Weltcup-Wochenende im schwedischen Östersund. Dort wurde er im Sprint Sechster und sagte anschließend im AZ -Interview: „Ich kann es noch besser.“ Beim zweiten Sprint in Östersund wurde er am Mittwoch mit drei Schießfehlern zwar nur 38., lief aber nur zwei Sekunden langsamer als der norwegische Biathlonstar Johannes Thingnes Boe. An diesem Wochenende stehen noch zwei Wettbewerbe auf dem Programm: die Staffel der Männer (Samstag, 15.10 Uhr) und das Verfolgungsrennen (Sonntag, 15.15 Uhr).
Insgesamt stehen für Nawrath 36 Wettbewerbe an zehn Austragungsorten in neun verschiedenen Ländern im Kalender. Dabei freut er sich besonders auch auf Oberhof Anfang Januar: „Da bin ich noch nie einen Weltcup gelaufen.“ Dagegen kennt er die Strecke in Ruhpolding bestens: „Das ist mein Heimweltcup Mitte Januar. Das wird ein ganz besonderer Moment, schließlich lebe ich dort seit sieben Jahren.“
Die Bindung zu Nesselwang und dem Allgäu ist immer noch eng. Im Heimatort des mehrfachen Olympiasiegers Michael Greis lebt seine Familie, mit der er auch Weihnachten verbringen wird. Dort kann er auch einen ehemaligen Schulfreund treffen, über den er zum Biathlon gekommen ist und seine große Leidenschaft entdeckte.
Für Greis, der bis März 2021 Trainer der polnischen Biathlon-Frauenmannschaft war und inzwischen Mentor von Nawrath ist, kommt die Entwicklung nicht unerwartet. „In den vergangenen Jahren hat er sich über die Saison immer gesteigert“, sagt Greis. „Der gute Saisonstart und die frühe Olympia-Qualifikation geben ihm jetzt schon Auftrieb.“ Läuferisch sei Nawrath absolut auf der Höhe. Nun gelte es, den guten ersten Eindruck zu bestätigen. „Bei den Männern ist die Konkurrenz sehr stark. Das deutsche Team hat insgesamt noch Nachholbedarf“, sagt der 45-Jährige, der sich mit seinem Schützling regelmäßig austauscht.
Im Olympiawinter strahlt Nawrath bisher jedenfalls großes Selbstvertrauen aus. Nach den Lehrgängen in Bormio, Antholz, Ramsau, in Frankreich und im finnischen Munio hat er ordentlich Laufkilometer in den Beinen. Dabei hat er auch schon einige tausend Schuss ins Ziel gejagt. Für diesen Winter hat sich Nawrath eigens eine stärkere Abzugsfeder ins Gewehr eingebaut. Sein Heimtrainer Isidor Scheuer ist auch bei den Weltcups dabei und gibt ihm uns einen Teamkollegen Erik Lesser, Benedikt Doll oder Roman Rees die Zeiten durch. Im Vorjahr teilte sich Nawrath das Weltcup-Zimmer mit Justus Strelow: „In diesem Jahr haben wir coronabedingt Einzelzimmer, sind aber trotzdem viel zusammen.“
Spätestens mit dem Staffelsieg im März 2021 im tschechischen Nove Mesto gelang Philipp Nawrath der Sprung an die Weltspitze. Doch es war ein steiniger Weg für den Allgäuer. Nach seinem Realschulabschluss 2011 ging er zur Bundeswehr in den Ski-Zug nach Mittenwald. 2013 wechselte er in die Trainingsgruppe am Bundesstützpunkt Ruhpolding und holte sich bei der Junioren-WM den Titel mit der Staffel. Darauf folgte die Berufung in den B-Kader und der Schritt zu einer beruflichen Herausforderung: Nawrath absolvierte eine fünfjährige Ausbildung im mittleren Dienst bei der bayerischen Polizei, die er im Jahr 2019 erfolgreich abschloss.
Gleichzeitig festigte er über den IBU-Cup seine Leistungen und gab im März 2017 sein Weltcup-Debüt im finnischen Kontiolathi und in Oslo. Dabei erreichte er die Plätze 34 und 42. Im Januar 2020 schrammte Nawrath in Pokljuka mit Platz vier im Einzel knapp am Podium vorbei. „Meine bisherigen Highlights waren bei der WM 2019 in Östersund Platz zwölf im Sprint und Platz 15 im Massenstart.“ In der Vorbereitung auf die Saison 2020/21 warf ihn ein Leistenbruch mit anschließender Operation zurück und bremste ihn aus. Doch das ist Schnee von gestern.
In diesem Jahr will der einzige Allgäuer Top-Biathlet ganze vorne mitmischen. Beim Weltcup-Finale Ende März in Oslo will er seinen Namen unter den Top Ten lesen. Mit der Olympia-Qualifikation ist eine große Last von ihm abgefallen. Doch was ihn und seine Kollegen in China erwartet ist absolutes Neuland, denn dort gab es noch nie Wettbewerbe: „Wir haben bislang nur Videos von der Strecke gesehen. Damit haben wir alle die gleichen Chancen.“
Eurosport-Experte und Ex-Biathlon-Ass Michael Rösch traut ihm jedenfalls einiges zu. „Nawrath hat mich nicht wirklich überrascht. Ich kenne seine Stärken. Er hat viel mit Benedikt Doll trainiert, hatte also auch da schon die Vergleiche mit einem Topmann. Das gibt ihm ein gutes Gefühl. Die Lücke, die Arnd Peiffer und Simon Schempp hinterlassen haben, ist schwer zu schließen, doch Philipp wird sich in den kommenden Jahren mehr und mehr festigen und kann jetzt schon regelmäßig in die Top 20 laufen.“